07.09.2012
Land: Ecuador Ecuador
KM: 32.707

Ecuador empfängt uns mit einem tagelang anhaltenden Konzert. Es singt und pfeift, zwitschert und trällert.
Ich liege auf dem Rücken, träum in den Himmel und über mir flattert ein aufgeregter Kolibri von einer Blüte zur anderen des knorrigen Baumes. Es ist ein Vogelparadies. Gelbe, rote, braune, große, winzig kleine unscheinbare – alles ist da, singt mir am Abend das letzte und am Morgen das erste Lied.

Zurück im „Tiefland“ zwischen 2.000 und 3.000 m zahlt sich das monatelange Höhentraining aus. Wie befreiend! Die Räder fliegen nur so dahin. Doch das ändert sich bald.
Ecuador ist gnadenlos. Es ist eine tägliche Achterbahnfahrt mit stürmischen Winden. 20, 25, 30 km klettern wir mehrmals am Tag steil Berg hoch. 2.000 Höhenmeter mit einer durchschnittlichen Steigung von 7% stehen jeden Abend auf dem Tacho. Das saugt aus, kostet Kraft.

Und wieder sind viele Dinge anders. Die Menschen scheinen nicht mehr die kindliche Neugier von Peru zu haben. Sie sind freundlich aber distanzierter. Die Städte blitzblank, fast zu sehr, kaum, dass man sich noch traut auf den Bordstein zu setzen. Dicke Pickups verstopfen die Straßen und modern gekleidete Menschen füllen das Bild.
Außerhalb der Städte sieht es anders aus. Sehr traditionell. Die Frauen sind elegant und wunderschön anzusehen, in ihren langen schwarzen Röcken, dem schwarzen Tuch und dem melonenähnlichen Hut auf dem Kopf. Meistens sind sie mit einer Spindel unterm Arm unterwegs, zumindest aber mit ihrem Strickzeug. Die Männer sehen in ihren dreiviertel langen Hosen und den derben Schuhen eher etwas bäuerlich aus, tragen ihr glänzendes langes Haar zu einem kunstvoll geflochtenen Zopf.

Wir sind unterwegs von Loja nach Cuenca. Es ist ein Pilgerweg. 210 km ist die Strecke lang und aus einem mir nicht ganz klaren Grund, muss sie in drei Tagen zurückgelegt werden. Gruppen-, Paarweise und Einzeln kommen sie uns humpelnd und eher schlurfend in herzzerreißend dünnen Schuhen, in Gummistiefeln und Turnschuhen entgegen, kühlen ihre geschwollenen Füße in den bereitstehenden Schüsseln der vielen kleinen Restaurants. Sie machen es aus religiösen Gründen, vor allem aber wegen dem Spaß, sagen sie. Dabei sehen ihre Gesichter überhaupt nicht danach aus, eher ziemlich schmerzverzerrt.
Ich möchte nicht tauschen. Dann eher doch demütig die endlosen Berge hochstrampeln. Es ist kein einfaches Land, es ist aber trotzdem auch wunderschön.

Die Bilder Ecuador Teil 1 sind online.



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Kommentare

Alexandros, 21-09-12 03:46:
Wie sehr genieße ich es, in einer freien Stunde mir einfach nur Zeit nehmen zu können um hier deinen wöchentlichen Text lesen zu können, danach gemütlich Bilder anzuschauen und dann für länger als nur eine Stunde davon zu träumen, dass ich bald wieder aufs Fahrrad darf... Das Knie wird es sehr bald wieder erlauben. Ganz sicher.

Es scheint mir so, als würde es dir gut gehen - deine Rückkehr nach Berlin rückt näher und ich erinnere mich noch an das Bild am Kotti - die Zeit vergeht, das Leben hat dich beschenkt, dir Kraft und mehr genommen, dich sicherlich auf viele Arten und verschiedenen Wegen geprägt, für immer beschenkt und ständig belebt.

Als Leser kann ich dir meine Aufmerksamkeit schenken und meinen besten Dank für diese Bereicherung.

Ich hatte überlegt diesen Beitrag per Mail an dich zu senden, doch es liegt mir viel daran andere wissen zu lassen, dass Du und Alex damals einen großen Teil dazu beigetragen haben, dass ich mich dafür entschlossen habe aufs Fahrrad zu steigen und einfach loszufahren.

Du bist tapfer, mutig und scheinst ein großes Herz zu haben.

Genieße die km und dich - die Länder und die Menschen.

Ich finde es klasse was du machst und möchte wirklich dafür danken, dass du uns alle Teil daran haben lässt.

Aus Serbien, Novi Sad
Alexandros
Anne heut mal nur mit dem Renner, 10-09-12 21:31:
Jakob rennt hier um den PC rum (tagsüber, jetzt aktuell ist er am Schlafen *glücklichsei*) und macht mich ganz kirre... er will einfach IMMER ALLES wissen was passiert und überall dabei sein! Sein "dadada" und "eieieiei" hab ich heute mal als "Wie gehts eigentlich der Bettina?" interpretiert und ihm gleich brühwarm alles erzählt! ;o) Hoffentlich lernt ihr euch bald mal irgendwie kennen! Der kleine süße Chaot (der mittlerweile auch ein ganz schön jähzorniger Sturkopf sein kann) freut sich jedenfalls drauf! (und die Mama erst...)
Mona & Lutz, 07-09-12 08:45:
Guten Morgen Bettina, naja "Morgen" ja nur hier, haben mir nach 6:00-Uhr F2h Frühstückslauf mal vor der Arbeit Deinen Bilder angeschaut .. geht ja "schweinisch" ;-) zu bei Euch ;-). Trotzdem wieder wundervolle Eindrücke die Du uns "sesshaften" vermittelst ! Viel Spass weiterhin !
M&L

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