18.02.2012
Land: Indonesien Indonesien
KM: 21.247

Es ist Regenzeit auf Java und wir mittendrin. Jeden Tag erwischt es uns auf´s neue und jeden Tag folgen wir dem Herdentrieb und suchen zusammen mit allen anderen fluchtartig eine Unterstellmöglichkeit. Nach einer halben Stunde Warterei geben wir meist entnervt auf und fahren weiter, um innerhalb von Minuten nass wie ein Hund auf dem Rad zu hocken. Regensachen anzuziehen macht bei 30 Grad auch nicht wirklich Sinn, innerhalb kürzester Zeit würde man bis zum Hals im eigenen Saft stehen. Der Regen kommt zu den verschiedensten Tageszeiten, am gemeinsten ist es früh morgens, kurz bevor man aus dem Zelt kriechen will, hält meist stundenlang an und ist manchmal so heftig, dass auch das Top Hillebergzelt den prasselnden Wassermassen nicht mehr gewachsen ist und man irgendwann in einem kleinen See liegt. Die permanente Nässe ist eine bisher nicht gekannte Herausforderung, die mächtig an den Nerven zehrt und auch eine Extrembelastung für das Material ist. Klamotten, Schuhe, Fahrradteile lösen sich in rasanter Geschwindigkeit unter unseren Augen auf.

Doch wie sieht es sonst bei uns aus? Von jetzt auf gleich täglich 24 Stunden zusammen, knapp 7.000 km im Sattel und 12 Wochen seit Laos unterwegs – wie geht das und wie geht es uns dabei?
Kein ganz einfaches Unterfangen und zugegeben, wir haben einige Kilometer gebraucht, um einen gemeinsamen Reiserhytmus zu finden. Dabei ist es für Jan Ole oft nicht einfach. Ich brauch Abstand, viel und manchmal noch mehr. Dann kann es auch schon mal vorkommen, dass wir uns verlieren und einige Mühe aufwenden müssen, um wieder zusammen zu finden. Oder Jan Ole fährt und fährt, da die Pause ja für Kilometer x vereinbart ist und 5 km dahinter denke ich: Oh Mann, warum bleiben wir nicht einfach hier an diesem wunderschönen Strand, warum fahren wir stumpf weiter?
So sind wir auch unabhängig voneinander vor ein paar Tagen noch kurz vor 16 Uhr bei strömenden Regen in den Regenwald reingefahren. Ein Streckenabschnitt von dem klar ist, dass er steil und anstrengend ist und man keine Übernachtungsmöglichkeit finden wird. Wir müssen über eine Bergkette klettern, eigentlich nicht weit, aber weit genug, dass wir es vor der Dunkelheit möglicherweise nicht schaffen.
Die fremden Urwaldgeräusche schwellen mit der hereinbrechenden Dämmerung über den Baumriesen an. Ich schiele zu den deutlichen Warnschildern am Straßenrand und trete tapfer bei der nächsten steilen Rampe in die Pedale. Ich hab immer geglaubt, die Anstiege in Laos sind einmalig, doch die Indonesier können problemlos mehr. Wie eine Wand stehen sie vor einem. Bei annähernd 20% wird jeder Fehler bitter betraft. Verschaltet man sich oder muss aus irgendeinem anderen Grund vom Rad, hat man verloren. Schieben ist um ein vielfaches anstrengender, geht eigentlich gar nicht und aufsteigen geht dann auch nicht mehr. Doch wir haben keine Zeit zum Zaudern.
Ein Auto mit Rangern kommt uns entgegen; noch 7 km und eine halbe Stunde Zeit – das sollten wir schaffen. Mit dem letzten Tageslicht sind wir oben und ein Restaurant leuchtet uns rettend entgegen. Wir haben wieder einmal Glück gehabt, auch wenn es sicher nicht sonderlich schlau von uns war. Im Gastraum, der auch das  Wohnzimmer der Familie ist, dürfen wir unsere Matten ausrollen. Zur Strafe – oder Belohnung - müssen wir uns dafür einen indonesischen Schnulzenfilm mit anschauen, es gibt kein Entrinnen.

Und sonst: Jan Ole findet Indonesien cool, kämpft in regelmäßigen Abständen mit dem Essen, hat manchmal schlechte Laune, wenn er tagelang kein Bier bekommt, hat seine Liebe zu trockenem Toastbrot und Reis entdeckt und davon bereits Unmengen verdrückt, kaut ununterbrochen Kaugummi gegen den gleichbleibend viel zu hohen Zigarettenkonsum, hat glaub ich ab und zu ein bisschen Heimweh, wundert sich mit großen Augen über den Extremverschleiß der Räder und hält sich ansonsten tapfer …
Ich radel so vor mich hin und bin froh darüber. Der feste Tagesrhytmus gibt Halt. 40 km fahren - die erste Pause und etwas trinken; 40 km weiter, die nächste – Mittag, dann mind. noch einmal 40 km, vielleicht noch einen Kaffee dazwischen – und schon liegen 120, 130 km hinter uns und wir schauen, wo wir für die Nacht bleiben können.
Es gibt gute Tage, dann mag ich die Menschen und die Geschichten fliegen mir zu. Und es gibt schwierige und sehr schwierige. Dann setz ich bereits schon morgens die Sonnenbrille auf, steck mir die Musik ins Ohr, dann wird „Hello Mister“ zur Seelenqual und dann gibt’s auch keine Geschichten …
Ich genieße es, das wir hier in Indonesien wieder so viel zelten können und von den stereotypen Hotels weg sind. Ich mag zelten einfach. Diese Unabhängigkeit, am wilden Indischen Ozean abends ein Feuer anzuzünden und die Fische am Stock zu grillen, dem Sonnenuntergang zuzuschauen und dem spiegelnden Mond im Meer. Ein ganz neuer Aspekt ist hinzugekommen: Zelten bedeutet auch, einen eigenen Raum zu haben. Und doch ist es eine tägliche Herausforderung, die Kraft kostet: Das Zelt ist riesig groß und besonders morgens schmerzhaft leer.

Wir haben uns von Sumatra rund 2/3, 1.800 km erradelt. Anstrengend, doch vielfältig und immer überraschend. Die verzauberten, einsamen weißen Sandstrände – es gibt sie noch. Wie an einer Perlenkette aufgefädelt, reihen sie sich im südlichen Teil der Westküste aneinander. Palmen, blaues Wasser und über viele, viele Kilometer kein einziges Hotel …
Den Sprung nach Java haben wir bereits gemacht und werden hier rd. 1000 km fahren.

Die Fotos von Indonesien Teil 3 sind online.

 



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Kommentare

Lutz (GC), 21-02-12 14:13:
Hallo ihr zwei "Regenpiloten"
Also ich lese eure Seite auch noch fast regelmäßig. Natürlich kann ich mir auch gut vorstellen, dass bei solchen Bedingungen so manches hoch kommt. Aber dafür werdet ihr auch irgendwann wieder entschädigt von Momentaufnahmen, die wir niemals sehen werden, außer auf den schönen Fotos. Sicher hast du werte Bettina auch noch zu verarbeiten was trotz aller Eindrücke, gar noch Jahre dauert. Drücke dir die Daumen das es gelingt.
Mein Freund Stefan tourt derweil bei Kälte und Schnee quer durch die Türkei, um seinen Streckenabschnitt Richtung Iran, per Rad, "nach zu holen".
Grüße aus Sachsen und zum heutigen Fasching ein kräftiges Helau an euch und ne Tüte Frohsinn dazu.
Franky, 20-02-12 12:25:
... ich glaube der Regen ist wie hier die trübe dunkel Zeit wo gar nichts geht - kein Radfahren, kein Boarden... wo man sehr leicht depressiev werden kann. Da kann die ganze Welt für einen da sein und man fühlt sich trotzdem alleine...
Aber selbst auf diesem nicht schönen Abschnitt habt Ihr schöne, gute und bleibende Erlebnisse und Ihr radelt auf noch tolle Abenteuer zu -also zehrt von den tollen Bildern die Ihr schon in Eurem Kopf habt Kopf hoch, Bauch rein und Hintern zusammen ... weiter geht es.
Alles Gute und wir sind schon auf die nächsten Bilder und Erzählungen gespannt.
Gruß
Franky
Manuela, 20-02-12 12:01:
Liebe Bettina, freu mich immer wieder von dir/euch zu hören. Auch wenn deine Zeilen diese Mal eher traurig stimmen - das wird wohl nie ganz aufhören - so sind deine Bilder doch so wunderschön! Ich wünsche dir/euch weiterhin viel Kraft und weniger Regen! Herzliche Grüße aus dem nass-kalten NRW Manu
Lutz (der auch alleine schreiben kann), 19-02-12 11:31:
.... auch wenn sich Deine Zeilen heute etwas "trübe" lesen, vermutlich passend zur Situation in der Regenzeit, es ist einfach schön so an Deinem oder besser Eurem Abenteuer teilnehmen zu können. Der robby bereitet sich auch schon so intensiv auf "seinen Part" vor, da habe ichj so ein wenig den Eindruck, dass er ein Rennen mit Dir fahren will! Auch bei Euch wird bald mehr die Sonne scheinen und die Hügel werden kleiner, geniesse einfach die Umgebung und blende Anderes aus. Denke einfach daran, daß hier so viele Frende auf Deine Berichte warten und sich jedes Mal freuen Neues von Euch zu lesen ... und wettermässig habt ihr absoluzt nüscht versäumt ;-) !! LG L.
Anne, 18-02-12 11:44:
Bettina, ich umarme dich! Danke für dein Vertrauen in uns und in die Welt. Danke für diese Zeilen! Ich drück dich in Gedanken ganz fest!
Mona (+Lutz der villeicht selbst was schreibt), 18-02-12 11:28:
Jeden Tag schauen wir 2-3 mal ob es etwas neues gibt und sind immer erfreut von dir/euch zu lesen. Diesmal liest sich dein Berich nicht sehr glücklich. Solche Tage gibt es und wird es sicher noch lange geben (uns fehlt er auch) Du hast meinen größten Respekt und wie immer sind wir in Gedanken bei euch. Ihr packt das schon und wir freuen uns schon auf den nächsten Bericht.
Seid aus der Ferne herzlichst umarmt und gegrüßt.

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