20.03.2012
Land: Argentinien Argentinien
KM: 22.870

... schmettert uns Don Lucio nach jeder Runde um sein Haus entgegen. Nicht weniger enthusiastisch rufe ich „Viva Argentina!“ zurück und das Gesicht des blinden Don Lucio erstrahlt. Kraftvoll schreitet der 86jährige am Arm seiner Tochter aus, schon kommt er wieder um die Ecke gebogen und das Spiel beginnt von vorn.
Wir sind mitten im „Nichts“ auf einer Truckerstation gelandet, die der  alte Don Lucio mit seiner Tochter betreibt und jeden Abend führt Christella ihren Vater geduldig ums Haus.
„La Pampa“, das heißt 80 km nach Westen und 100 km nach Osten keine einzige Siedlung, nur ein paar hingestreute Estanzias.

Unsere Reisegeschwindigkeit hat sich enorm verlangsamt. Trotzen wir am Morgen dem Wind noch 15 km/h ab, so kriechen wir nicht selten am Abend mit kaum 10 km/h über die Landstraße. Es braucht einige Zeit, bis wir den Wind als Bestandteil Argentiniens annehmen. In der Karte verzeichnete Ortschaften sind oft nur eine Tankstelle an der Straßenkreuzung. Haben wir Pech, ist sie vernagelt.
Und doch ist dieses „Nichts“ faszinierend. Der Blick verliert sich in der Weite. Grasland, Rinder, die Straße über lange Kilometer immer geradeaus, keine Kurve, kein Knick. Nach den vielen Monaten im wusligen Asien ist diese spröde Landschaft eine Wohltat für die Augen, für die Sinne. Endlich sind wir keine Exoten mehr, werden nicht mehr begafft und bestaunt, sehen aus wie alle und doch unterscheiden wir uns in einem Punkt ganz wesentlich. Im Gegensatz zu uns, trägt der argentinische Mann n i e m a l s Sandale.

Die Argentinier nehmen uns mit großer Gastfreundschaft und unglaublich hilfsbereit auf. Fragen wir bei einer Estanzia an, ob wir unser Zelt aufbauen dürfen, werden wir fast nie abgewiesen. Der den Argentiniern heilige Matebecher wird hervorgeholt und im Uhrzeigersinn so lange herumgereicht, bis einer „gracias“ sagt. Mit wem man einmal Mate getrunken hat, sagt man, der wird einem so schnell kein Feind. Der Mate ist vieles. Er ist ein Ritual. Er ist ein Zeitvertreib. Er ist ein kulturelles und historisches Symbol. Immer und überall trinken die Argentinier ihren geliebten Matetee und laufen mit einer Thermoskanne unter der Achsel herum.

Nach 600 km „La Pampa“ erreichen wir den Nationalpark „Ernesto Tornquist“ mit dem berühmten Naturdenkmal, dem 1.134 Meter hohen Mount Ventana, der natürlich erklommen werden muss. Ein großartiger Blick über endlose Pampa ist die Belohnung.

Hat man die Weite und die damit verbundenen übersichtlichen Versorgungsmöglichkeiten der Pampa erst einmal verstanden, lässt es sich auf den wenig befahrenen Straßen  gut radeln.  Immer wieder treffen wir am Wegesrand auf kleine Altäre, geschmückt mit roten Fahnen, Bekleidungsstücken, Bändern. Hier wird dem Schutzpatron der Armen, Gauchito Gil, gehuldigt. Er heilt die Kranken, vervielfacht den Wert jeder Münze, die man ihm darbringt und bringt den Armen Brot und Mate. Und da Gauchito Gil zu Lebzeiten gern einen Mendoza getrunken und eine Zigarette geraucht hat, wird er auch heute noch so versorgt, die Weinflaschen stapeln sich. Sehr sympathisch, endlich mal keinen Weihrauch.

Vor uns liegt weiter „La Pampa“. Noch 1.200 km bis zu den Weinbergen von Mendoza.

Die Bilder von Argentinien Teil 2 sind online.



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Kommentare

Annette, 27-03-12 23:00:
Du schaffst es immer wieder mit Deinen Berichten irgendetwas in mir wach zu rütteln... das es noch so viel zu entdecken gibt und das es häufig die kleinen Dinge und Begebenheiten sind, die das Leben so schön machen.
Ganz liebe Grüße von Netti
PS: Dem Ole noch alles Gute zum Geburtstag...
Franky, 21-03-12 18:23:
... jajaja der liebe Wind - als Radler mag man ihn nicht so - weil er hört nicht auf, ein Berg ist dann irgendwann mal vorbei. Auf dem einen von all diesn super schönen Bildern sieht es doch tatsächlich so aus als würde es zur Belohnung mal Bergab gehen:-)- ihr habt es Euch verdient...
Für uns geht es Freitag dem Wind hinterher ins warme Ägypten.
Viele liebe Grüße
von
Keddy&Franky
Lutz, 20-03-12 20:57:
Hallo Ihr beiden Weltenbummler,
wie immer wunderschöne Bilder und ein toller Bericht. Macht weiter so - UND endlich mal wieder ordentlich Rückenwind ! ;-)

Viele liebe Grüße aus Hamburg von Lea, Sandra und Lutz
Anja, 20-03-12 19:02:
Liebe Bettina!
Danke für die eindrucksvollen Bilder und Berichte. Wünsche Euch viel Rückenwind und weiterhin nur nette Gastgeber!
Anne, 20-03-12 12:52:
@Bettina ganz speziell
Gut siehst du aus! Richtig gut!
@Jan-Ole
Mate steht dir auf alle Fälle mal besser als die Fluppen, die ollen!
@der Bericht
ist suuuuuper und macht Lust auf mehr La Pampa und mehr Argentina!
@die Bilder
super super super super Da kann ICH mich der Mona nur anschließen!
Danke dafür!
Manuela, 20-03-12 10:00:
Toller Bericht - tolle Bilder! Es tut gut von Euch zu hören! Weiterhin gute Fahrt und wenig Wind :-)
Mona (+Lutz), 20-03-12 08:03:
Wieder ein wunderbarer Bericht und wunderschöne Fotos. Auch wenn ihr an dem Regen- und Windtag mächtig leiden musstet, dieses Wolkenband sieht unglaublich aus. Ich liebe deine Fotos :-)
und natürlich deine Berichte.
Liebe Grüße aus dem frühlingshaften Berlin.

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