Sucre - Muttertag in Bolivien ist ein Fest, ein Erlebnis. Es beginnt mit tagelangen Vorbereitungen. Alles dreht sich um die Torte, die wird im Akkord gebacken. Auch uns nimmt dieses Fest gefangen; dabei beginnt es ganz sanft …
Von Uyuni Richtung Potosi steigt die Straße erst einmal steil an. Baustelle, Sand, schieben. Doch nach 20 km kommt die erhoffte und ersehnte Überraschung; endlich Asphalt! Es fühlt sich einfach großartig an. Pistenfeeling hin oder her – die Räder Rollen wie lange nicht. Ein Rückenwind, wie wir ihn wohl noch nie hatten, bläst uns auf einer nur leicht abfallenden Straße mit 40 km/h durch eine bezaubernde Canyonlandschaft. Wir nehmen die Füße hoch und genießen. Tief eingeschnittene Täler, zerfranste, hoch aufragende, in der Sonne rot leuchtende Felsen – die Fotoapparate klicken.
Endlich wird es wieder grüner. Seit langer Zeit sehen wir Bäume! Kleine Ortschaften, Menschen die ihrem Tagewerk nachgehen; eine willkommene Abwechslung für unsere Augen und Sinne.
In fast jedem winzig kleinem Ort finden wir nun einfachste Pensionen. Schlafen in Lehmhütten, auf Strohmatratzen, dafür aber kuschlig warm und für fast beschämend wenig Geld zwischen 2 und 6 Euro. Das Essen ist mehr als einfach aber reichhaltig. Die berühmte leckere bolivianische Suppe gibt es in jeder Küche, danach kommt meist noch einen Berg Reis, dazu eine halbe Kartoffel, obenauf ein Spiegelei.
Auf dem Weg nach Potosi spekulieren wir auch am dritten Tag auf eine gemütliche Unterkunft. Den ganzen Tag in Einsamkeit unterwegs, zieht´s uns abends zu den Menschen.
Wir fahren jeden Winkel im Ort ab, niemand will uns. Es bleibt unklar, ob die Pensionen ausgebucht oder einfach nicht in Betrieb sind. So kehren wir um, kurz vor dem Ort war noch ein kleines Restaurant. Frierend versuchen wir unser Glück und tatsächlich, die gemütliche Hausherrin gewährt uns Obdach.
Es ist das winzigste Büdchen was ich je hatte. Ein Bett passt gerade so hinein, dazu noch die Taschen, dann wird die Luft schon dünn, erst recht zu zweit. Wir sind trotzdem froh. Es ist ein mehr als armer Hof. Kein Strom, keine Toilette. Man geht hinters Haus, wo schon die Schweine lauern.
Ein paar Mineros kippen sich im Hof in den letzten Sonnenstrahlen ordentlich Bier in den Hals. Heut ist Freitag. Da gibt´s für die Männer kein Halten.
Wir dürfen uns in der Küche wärmen, ein ganz besonderes Privileg. Hier herrscht emsiges Treiben. Morgen ist der „ Dia de la Madre“, Muttertag, da wird in Bolivien Kuchen gegessen.
50 Tortenböden stapeln sich, jeder kleinste Platz ist bereits belegt und es wird heftig weitergebacken. Ein Minero steckt den Kopf durch die Küchenluke, versucht mit weicher Stimme Karin, die 20jährige Tochter zu locken, doch die lächelt nur müde und wendet sich wieder den Kuchen zu. Wir sitzen mittendrin. Eine wohlig warme Insel. Um uns herum wirbeln die Frauen.
Maria drückt mir ihr Baby in den Arm. Für die nächsten 3 Stunden werde ich den kleinen Christian wiegen und schaukeln und ihm halb vergessene Lieder summen.
Zwischendurch eine heiße Suppe für uns, ein freundliches Wort – wir können einfach sein und das ist fast das allerschönste. Für diesen wärmenden Abend wären wir in jedes Mauseloch gekrochen. Eine wohlig warme Insel. Um uns herum wirbeln die Frauen.
Am nächsten Tag erreichen wir Potosi, die höchst gelegene Großstadt der Welt auf 4.060 m ü.n.N., berühmt durch die reiche Silbermine. Auch heute arbeiten hier noch mehr als 8.500 Menschen, darunter 800 Kinder. Es ist eine wuslige, fast Touristenfreie Stadt mit unzähligen kleinen Gassen, gemütlichen Restaurants und Cafés. Der bunte Sonntagsmarkt lädt ein zum Bummeln. Fast jeder trägt einen Cremeturm vor sich her. Die Torten für den Muttertag sind der absolute Renner und bestimmen das Straßenbild.
Weiter Richtung Sucre macht uns die 50 km lange Abfahrt von 4.000 auf 2.300 m das Leben leicht. Nach 100 km ein kleiner Ort. In der Pension sitzen die Frauen bereits vergnügt beim Bier. Es wird immer noch Muttertag gefeiert. Bolivianische Musik und schon können wir uns nicht mehr entziehen. Kurzerhand schnappen sich die stämmigen Frauen Robby und schwenken ihn quickend vor Freude durch den kleinen Hof. Ein herrlicher Abend. Wir haben Bolivien schon längst in unser Herz geschlossen und die erfrischenden bolivianischen Frauen sowieso.
Sucre überrascht mit unzähligen Museen, Kirchen, Parks, alten Kolonialhäuser und zeigt ein komplett anderes Bild als das bisher bekannte der braunen einfachen Lehmhäuser. Im „Kulturcafe Berlin“ des Goetheinstitutes halte ich voller Freude seit Monaten den ersten Spiegel in der Hand, mit dem bezeichnenden Titel „Was ist Heimat“ und um das Glück zu vollenden, ist Donnerstags Kinotag und Wim Wenders wartet mit seinem großartigen Pina Bausch-Film auf. Herrlich!
Weiter rollen wir jetzt in nordwestliche Richtung, wollen mit einem großen Bogen nach Cochabamba und dann weiter nach La Paz.
Die Bilder Bolivien Teil 2 sind online.
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Wieder ein spannender und schöner Bericht, und fantastische Bilder,
Viele Grüße aus der Heimat und danke Robby für die entfernten Geburtstagsgrüße
Jule und André (und Helena)
Gute Fahrt weiterhin !
M & L
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