Potosi - Krachend knallt die zierliche chilenische Grenzbeamtin den Ausreisestempel in unsere Pässe. Das Ergebnis ist gleich Null. Die Stempelfarbe ist alle. Für die Beamtin kein Problem, für uns schon. Das nachfolgende beidseitige Unverständnis ist noch einmal bezeichnend. Zu oft musste ich an der Grenze schon umkehren, weil irgendeine Kleinigkeit nicht korrekt war. Da wollen wir uns mit einem unsichtbaren Stempel 50 km und 2.200 Höhenmeter von der bolivianischen Grenze entfernt nicht zufrieden geben. Die Beamtin ist genervt, wir auch. Nach langem Hin und Her schreibt sie wenigstens das Datum per Hand in unsere Pässe und wir rollen Richtung Pass Hito de Cajon davon.
Die ersten 15 km sind noch harmlos, dann geht’s zur Sache. Als der härteste Pass der Welt ist er charakterisiert, was wir erst einmal etwas übertrieben finden. Über nur 30 km steigt die Straße jetzt ohne Schnörkel und Kurven von 2.500 hm auf 4.700 hm mit einer ständigen Steigung zwischen 8 und 11% an. Nach 35 km und 7 Stunden auf dem Sattel schlagen wir unser Lager neben der Straße auf knapp 4.000 m Höhe auf, bereits ziemlich fertig mit dem Tag. Am nächsten Morgen nehmen wir die restlichen 10 km in Angriff, benötigen dafür 3 h.
Wütend, demütig, schnaufend und schnaubend, nach Luft ringend, im Wechsel wie die Frösche auf der Straße liegend und den Pass mit dem gesamten uns zur Verfügung stehenden Vokabular beschimpfend haben wir uns Meter für Meter hochgequält. Unglaubliche 10 Stunden haben wir dafür benötigt.
An keinem Pass im Himalaya- oder Pamirgebirge habe ich mehr gelitten. Quasi ohne Akklimatisierung so schnell und mit dieser Steilheit in diese Höhen vorzudringen, das ist wohl die wahre Schwierigkeit bei diesem Pass.
Die bolivianische Grenze ist ein einsames Häuschen mit einer zerzausten Flagge. Wer hier Posten schieben muss, macht dies sicher nicht freiwillig. Doch der Grenzer grüßt freundlich, an verrückte Gringos mit dem Rad ist man hier gewöhnt.
Eisig kalt ist es hier oben und so rollen wir schnell zum Refugio an der Lagune Verde hinunter. Mit einer heißen Suppe und Unmengen von Tee wärmen wir uns und auch unser Gemüt wieder auf. Die bolivianische Hausherrin nimmt uns erfrischend herzlich auf und schon bald verkriechen wir uns in unsere Betten unter 5 Decken.
Die grüne Lagune Verde verzaubert. Die Ränder dick vereist, eingebettet zwischen den braunen Bergen – ein friedlicher, stiller Ort.
Die Lagunenroute ist tatsächlich ein einzigartiges Erlebnis. Ständig wandelt sich die Landschaft. Es ist eine vollkommene Schönheit, die sich uns präsentiert. Still, mit Tränen in den Augen stehe ich oft da. Es ist unmöglich, die Eindrücke mit der Kamera einzufangen, ein aussichtsloses Unterfangen. Surreale Bilder wie Kunstwerke liegen vor uns. Die unterschiedlichen Farben der Berge harmonisch aufeinander abgestimmt.
Doch es ist auch mehr als schwierig, sich all dies zu erschließen. Die Piste ist sandig, wellig, ruppig, verlangt uns alles ab. Irgendwann kommen wir an den Punkt, dass wir nichts anderes mehr wahrnehmen können, nur noch verzweifelt den Lenker festhalten. Die Räder springen wie wilde Böcke über die Steine. Immer wieder müssen wir absteigen, durch tiefen Sand schieben. Es ist bitter kalt. In der Nacht fallen die Temperaturen weit unter 10 Grad minus, es verlockt wahrlich nicht zum campen.
Wir haben unsere Grenzen erreicht und treffen eine Vernunftsentscheidung. An der Laguna Colorado, nach knapp 200 km, steigen wir in einen Jeep um. Laut Radreiseführer soll die Piste jetzt erst wirklich schlimm werden, über weite Geröllfelder führen.
Schon am nächsten Tag wird mir die Entscheidung wehtun. Nach 80 wahrhaftig fiesen Kilometern wandelt sich die Piste, anders als im Reiseführer beschrieben, wieder in eine durchaus fahrbare. Wir eilen mit den Jeeps von einem Fotostopp zum nächsten. Die Landschaften ziehen an mir vorbei, berühren mich kaum noch. Wehmütig schau ich aus dem Fenster. Es ist einfach nicht meins so zu reisen, alles geht viel zu schnell.
Am Salar de Uyuni ereilt uns die nächste Enttäuschung. Große Teile des Salzsees stehen unter Wasser, die Insel „Isla Inca Huasi“ ist für uns nicht erreichbar. Wieder einen Jeep zu beanspruchen oder durch´s Salzwasser zu fahren sind keine Optionen und so bleibt uns nur der kurze und direkte Weg nach Colchani, der trocken sein soll.
Früh am Morgen fahren wir los, doch auch diese Fahrt endet nach 5 km im Wasser. Der Salar will uns nicht. Tief frustriert weichen wir nun auf die Landroute aus.
Bis Uyuni haben wir jetzt 2 Tage Zeit um die Dinge anzunehmen und uns neu zu motivieren.
Uyuni ist ein netter Ort. Eine heiße Dusche nach 8 Tagen eiskaltem Wasser, großartiges Essen, ein ordentliches Bier und eine Flasche Wein heben die Stimmung. Endlich treffen wir auch wieder andere Radler, alle mehr oder minder „versalzen“. Ein ganz Verrückter hat sein armes Rad knietief durch die eiskalte Salzlake des Salar geschoben.
Wir verbringen einen beschwingten Abend mit ein paar Australiern und schon reift der Entschluss, den Salar doch noch mal anzugehen. So schnell will ich mich nicht geschlagen geben.
Ein Tag Pause, dann roll ich ohne Gepäck noch einmal los, während sich Robby der Pflege seiner strapazierten Sitzflächen widmet.
Von Cochani aus ist der Salar trocken und es ist einfach nur ein einzigartiges Erlebnis. Schneeweiß, endlos und unglaublich still liegt er vor mir. Der Blick kann sich nur in den aneinandergereihten Sextanten der Salzkristalle verfangen, sonst ist da nichts.
Lange sitze ich einfach nur da. Der fast vollkommene Tag hat mich komplett mit den launischen Naturgewalten ausgesöhnt. Er ist Belohnung, er ist ein großes Geschenk.
Von Uyuni rollen wir weiter nach Potosi und Sucre.
Die Bilder Bolivien Teil 1 sind online.
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Wir sind zur Zeit in Antofagasta und dann gehts weiter ueber San Pedro mit einem Jeep nach Bolivien (Uyuni).Mal sehen ob ich deinen Abdruck in der Salzwueste sehe. Weiter gehts mit dem Kolektivo-Bus nach Potosi-Sucre-Santa Gruz.
lg Rene
Tolle Fotos, schier unglaubliche Kurbelleistung und wie immer ein spannender Bericht. Lasst es Euch gutgehen! LG aus Berlin
Liebe Grüße senden die Schwaben
Das Bild von dir, umgeben vom Salz, gefällt mir besonders. LG M.
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