Copacabana - Der Auftakt ging leidlich. Im international gut besuchten Hostal in Cochabamba hat man immerhin schon mal den richtigen Kanal eingestellt, auch wenn es die Bolivianer sichtlich nicht sehr interessiert.
Ich such mir dann doch lieber ein Lokal in der Stadt und hier finden sich auch so 15 Deutsche zusammen und schauen einsam das Spiel. Doch in der Halbzeit kommt beängstigende Unruhe auf. Plötzlich müssen wir fluchtartig das Lokal verlassen und eine neue Bleibe suchen, es wird ein Freundschaftsspiel von Bolivien übertragen, da gibt´s kein Pardon.
Über Land hat man eher keine Chance auf die Spiele. In den Restaurants laufen die üblichen Telenovas und die Zeitverschiebung ist so ungünstig, dass man bereits ab 11 Uhr das Rad in die Ecke stellen müsste – auch blöd. In La Paz geht wieder was, aber da spielt Deutschland gerade nicht …
Von Cochabamba klettert die Straße über 100 sehr lange Kilometer von 2.300 m wieder bis auf 4.500 m hoch, ein endloser Anstieg. Die Bevölkerung wird zunehmend indigener, kleidet sich farbenfroh bunt, selbst die Männer. Zweimal finden wir Unterkunft in einer Schule. Die Kinder begegnen uns munter und neugierig, fragen und schauen mit tellergroßen Augen, lassen sich aber nicht fotografieren.
Irgendwo auf der Straße nach La Paz ist eine Straßenblockade aufgebaut. Eine Kilometerlange Schlange von Lkw´s und Bussen kündigt schon von weitem davon. Die Mineros kämpfen für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen und wieder für´s Coca-Kauen. Unter Beifall und wohlwollenden Pfiffen werden wir durchgelassen.
Kurz vor La Paz thront hoch über der Ebene die stolze Kirche von Calamarca. Wir sind uns sicher hier eine Bleibe zu finden aber außer der Kirche scheint es nicht viel zu geben. Noch einmal frage ich nach einem Zimmer und welche Überraschung, der freundliche Herr winkt uns direkt in das große Haus. Wir sind in der deutschen Eco-Pueblo-Stiftung gelandet und bekommen ein gemütliches Zimmerchen. Ein großer Fernseher steht noch verpackt in der Ecke, ich probier die Fernbedienung und – wow - schalte direkt in die letzte Spielminute Deutschland – Holland!
Und dann sind wir schon in La Paz. Von El Alto, quasi der Vorort, hat man einen gigantischen Blick auf den Talkessel der Millionenstadt. Von 4.100 m fällt man auf 3.600 m hinunter. Im ersten Augenblick erscheint es als feindlicher, nicht einladender Moloch. Ist man erst einmal in die Stadt eingetaucht, hat sie viele Gesichter, von sehr modern bis bunt und überquellend.
Auf den Straßen von La Paz wird getanzt. Männer und Frauen nähern sich von entgegengesetzten Richtungen an. Während die Frauen sich völlig selbst genügend leichten Fußes im Rhythmus der Musik bewegen, kommen die Männer von der anderen Seite schwerfällig herangestampft, dirigiert von einer Trillerpfeife. Immer wieder verlieren sie den Takt, diskutieren die einzelnen Tanzschritte. Ein großartiges Schauspiel.
Wir genießen die Buntheit der Stadt, verpacken Robbys Rad, checken meins, tauschen dies und das und während Robby die Richtung Flughafen einschlägt, unternehm ich einen Ausflug in die Yungas.
Vom 4.700 m hohen Pass La Cumbre stürzt die berühmte Straße 3.500 Höhenmeter durch die Nebelwälder hinab in die tropischen Regionen Boliviens. Die einst gefährlichste Straße der Welt trägt ihren fürchterlichen Namen „Todesstraße“ zum Glück nur noch symbolisch. Seit 2006 eine Ausweichstraße gebaut wurde, ist die alte Route für Autos gesperrt und fest in der Hand der Radtouristen.
Ich treffe den Deutsch-Peruaner Frank und nach dem üblichen woher und wohin gibt´s eine Antwort, die direkt in die Magengrube zielt, mich dreimal tief durchatmen lässt: „China, da ist doch der vom Berlin-Marathon umgekommen“. Kleine Welt, wir fahren trotzdem zusammen.
Es ist ein Ausflug der Superlative. Großartige Ausblicke und vor allem der abrupte Wechsel aus der kargen geruchlosen Bergwelt in das satte Grün der Tropen ist ein Fest für die Sinne.
Zurück in La Paz mach ich mich auf den Weg zum Titicacasee. Diesen zu beschreiben ist fast unmöglich. Riesig ist er, von einem unermesslichen Blau und von großer Schönheit. Immer wieder halte ich an, schaue nur noch, den Fotoapparat hab ich längst weggepackt.
Reichlich 5 Wochen und 2.000 km bin ich durch dieses Land gereist. Es gehört unzweifelhaft zu den ärmsten der Welt und doch ist mir die Armut hier nie mit Lethargie, lähmend und grau begegnet. Schallend laut lachen die Frauen in ihren bunten Kleidern, es wird getanzt und gesungen, in den Vorgärten und auf den Märkten gibt es Blumen, immerzu scharren sie etwas und auch wenn alles in einem Tempo geht, dass uns Europäer schnell zum Wahnsinn treiben kann, sie bleiben immer freundlich. Jeder, wirklich jeder grüßt beim Vorbeifahren und heute hat sogar das bolivianische Musikkorps der Marine seine Probe unterbrochen und mir ein rührendes Lied gespielt. Was für ein Land!
Und so wie Bolivien für mich begonnen hat, so verabschiedet es sich auch. Mit atemberaubenden Ausblicken und gewaltigen Naturschönheiten. Ein wundervolles Land mit wundervollen Menschen.
Weiter geht´s nach Peru. Ich freu mich drauf!
Die Bilder Bolivien Teil 4 sind online.
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