Nicht denken - einfach fahren, heißt die Devise. Mühsam quälen wir uns den x-ten Pass des Tages hinauf, immer zwischen 1400 und 1900 Höhenmetern. Verzweiflung und Triumpf liegen nah bei einander. Oben angekommen, begrüßen uns zwei junge LKW Fahrer mit ihrem dicken, Öl beladenen Brummi. Schnell springt einer ins Führerhaus und wirft den Wasserkocher an. Wir sitzen auf Steinen am windigen kühlen Wegesrand und bekommen heißen Nescafe und Nüsse serviert. Mit fantastischem Blick in die Weite reden wir über Fußball (natürlich), Herkunft und die Türkei. „Allemanja“ kennen sie kaum. Syrien und Irak liegen ihnen näher, da sind sie schon mal mit LKW unterwegs. Uns wird wiedermal bewusst, wie nah wir uns entlang der Grenze zu den beiden Krisenherden bewegen (rund 200 km).
Die Türkei verändert sich im konfliktreichen Ost-Anatolien merkbar. Im absoluten Niemandsland stand vor einigen Tagen plötzlich die Polizei mit Maschinengewehren vor uns und wollte wissen wohin wir wollen. Die kurze Diskussionsrunde löste sich aber schnell in Freundlichkeit auf. Ob Kinder in Schuluniform, Bauern oder Händler in den wenigen Orten, überall heißt es „Merhaba“ und „Hello“ und eine Einladung jagt die nächste. Manchmal fast eine Überforderung für uns.
Heute ist Ruhetag in Malatya (90% aller getrockneten Aprikosen weltweit kommen von hier, laut Wikipedia!), einer Stadt mit 400.000 Einwohnern, komplett ohne Touristen. Dauergrüßend bewegen wir uns staunend durch die Gassen und treffen auf heimische Traditionen und Rituale, die sich wohltuend von den touristischen Strukturen unseres letzten Ortes Göreme/Kappadokien abheben. Das beachtliche Wirtschaftswachstum der Türkei scheint auch im Osten des Landes angekommen zu sein. Einige ehemalige deutsche Gastarbeiter bestätigen uns, dass es hier mittlerweile mehr Arbeit, Chancen und Wachstum gäbe als in Deutschland.
Seit vielen Tagen bewegen wir uns schon auf der D300, eine transanatolische Fernstraße, die sich über rund 1.900 km (davon 900 km mit uns) beinah schnurrgerade von Izmir an der Westküste, über Konya, Kayseri und den Van-See bis an die Iranische Grenze zieht. Teilweise ein 4-spuriger Highway, dann wieder eine schlammige, einspurige, vom Regen aufgeweichte Baustelle, die uns bspw. gestern schwer zu schaffen machte. Orte und Verkehr werden zunehmend weniger. Wenn uns Fahrzeuge begegnen, sind es fast immer LKWs und Reisebusse, die freundlich hupen und winken. Fernfahrer unter sich; es scheint fast eine unausgesprochene Verbindung zu bestehen.
Montag und Dienstag waren wir übrigens zu viert unterwegs. Andreas und Johanna, unsere radelnden Kollegen aus Hamburg (www.cycle-the-world.de) haben die gleiche Strecke wie wir. An zwei sehr abwechslungsreichen Tagen und Nächten haben wir eine Menge gelacht, auch über viele individuelle Lösungen und Rituale, die sich in unserem kleinen Radleralltag etabliert haben. Außerdem gab es endlich mal neue Fotomotive und wir haben uns fleißig gegenseitig abgelichtet. Das Ergebnis gibt es in den nächsten Tagen unter „Fotos“.
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weiter so...
Das sind ja geniale Bilder mit den riesigen Steinzipfeln inmitten der Häuser!!! Echt atemberaubend! Seid weiterhin immer fein nett zu Männern mit Maschinengewehren und Frauen mit Kochlöffeln - das kann nix schaden! Und unterschätzt bloß die kleinen Hunde nicht - immer fein das Zelt zu lassen, sonst beißen die euch noch in eure mittlerweile sicher super duper muskulösen Popöchen! Viel Erfolg weiterhin und lichtet euch ruhig weiter so fleißig gegenseitig ab! Schön!
Ich wünsche euch ganz viel Rückenwind. Bleibt gesund und schreibt fleißig weiter.
Ganz liebe Grüße aus Neukölln/Kreuzberg/Friedrihshain ... hier ist nohc alles beim alten ;-)
Grüße Uwe und Sigrid Hayen
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