Kurz nach dem Ortschild zu der kurdischen Kleinstadt „Mus“ flogen die ersten Steine und Lehmklumpen aus Kinderhand in unsere Richtung. Das unschöne Ereignis wiederholte sich noch einige Male. Extrem heruntergekommene Wohnsilos am Stadtrand und pöbelnde Kids auf BMX Rädern schufen eine bedrohliche Atmosphäre, die uns zum schnellen Weiterradeln animierte. Gut, dass immer wieder freundliche Erwachsene die Kinder zurück pfiffen.
Schon ein Fischer am Keban-See, kurz hinter Elazig warnte uns vor den kommenden östlichen Gebieten. Die Menschen dort sind ein bisschen verrückt, es gibt viele Militärgebiete und wildes campen geht schon gar nicht. Wie unglaublich viele Menschen in Ost-Anatolien war auch er zeitweise in Deutschland und wir konnten uns gut verständigen (komischerweise treffen wir nie ehemalige Berliner!). Spätestens ab Mus wussten wir was er meinte. Die Regionen wurden deutlich ärmer und die Ortschaften zunehmend zersiedelt mit typischen blechbedachten Flachbauten. Neu auch die vielen Tier-Herden und Nomaden sowie eine sehr impulsive Art der Menschen, die man weder direkt als freundlich noch aggressiv einordnen kann; doch im direkten Kontakt war die gewohnte Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft immer noch da.
Aber auch Kinder können anders. Beim Campen an einer Tankstelle lernten wir den 18-jährigen Cihan kennen, der uns seine englischen Schulhefte zeigte und nicht von unserer Seite wich. Er wollte unbedingt englisch sprechen (kann hier kaum jemand), alles über uns wissen und über Facebook mit uns in Kontakt bleiben. Mit großem Ehrgeiz will er scheinbar das Beste aus seiner Situation machen.
So kurz vor der türkischen Wahl am 12. Juni ist die Lage in den kurdischen Gebieten angespannt. Die Präsenz des Militärs ist gewaltig. Die prokurdische Partei für Frieden und Demokratie BDP steht im Mittelpunkt der Konflikte. Politiker werden von der Wahl ausgeschlossen und wieder zugelassen, es gibt Massendemonstrationen und Ausschreitungen. Überall wehen die identitätsstiftenden gelben Fahnen. In den Teehäusern sitzen die Menschen (Männer!) vor den TV-Geräten und verfolgen alles genau. Seit Jahrzehnten währt der Kampf der Kurden um Anerkennung und mehr Rechte, ein Ende scheint nicht in Sicht.
Wir sind mittlerweile in Tatvan am Vansee (auf 1.719 Meter Meereshöhe), dem größten türkischen See, direkt an der iranischen Grenze. Ein gewaltiges Gewässer, beeindruckende siebenmal so groß wie der Bodensee. Teilweise schneebedeckte Berge bis 4.000 Meter Höhe umsäumen ihn und machen ihn eigentlich zu einem touristischen Paradies. Leider gibt es jedoch nur wenig Touristen und die entsprechenden Strukturen sind auch nicht besonders entwickelt. Nicht zuletzt der Dauerkonflikt um die Kurdenfrage bremst hier das Fortkommen. Heute haben wir mit einem regionalen Trekking-Guide einen Trip zum ruhenden Vulkan „Nemrut Dagi“ gemacht, der Tatvan mit über 3000 Meter Höhe überragt. Auf 2.200 Metern konnten wir im Krater in einem von heißen Quellen gespeisten See schwimmen. Kann Erholung für Geist und Körper besser erfolgen?
Die nächsten drei Etappen führen uns ab morgen nach Dogubayazit (35 km vor der iranischen Grenze), wobei wir einen Pass von 2.600 Meter Höhe überqueren müssen. Von dort fahren wir per Bus zum Deutschen Konsulat nach Erzurum, wo unsere Pässe mit allen Visa für die kommenden fünf Länder warten und am kommenden Dienstag soll es dann in den Iran gehen.
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Eure bilder sind unglaublich schön und ich bin total stolz auf Euch
Liebe Grüße von Deiner Schwester und cshreib mal wieder!!!
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