27.08.2012
Land: Peru Peru
KM: 32.332

3.000 Höhenmeter hinunter ans Meer, da lacht das Radlerherz. Die 320 km nach Trujilla werden wir fliegen… denken wir. Dass es dann wieder anders kommt, ist schon fast klar. 5 heftige Tage brauchen wir und schlussendlich kriechen wir die letzten Kilometer.

Die Räder springen über die großen Flusskiesel, graben sich durch den Sand und so großartig wie der Canyon del Pato, die sogenannte „Entenschlucht“ auch ist, sie bringt uns mehr als an die Grenzen. Wir fahren in einem Ofenrohr, einem Kamin. Der Wind bläst unbarmherzig. Wie ein Spielball werde ich von einer Seite auf die andere geschoben, immer wieder aus dem Sattel geworfen und mehr als einmal wische ich mir in diesen Tagen wütend die Tränen aus dem Gesicht, stelle alles, alles in Frage und will keinen einzigen Meter mehr weiter fahren, nie wieder!
Stunde um Stunde quälen wir uns voran und dann endet auch das „Ofenrohr“, irgendwann...

Peru verabschiedet sich – wie kann es anders sein – mit großartiger Landschaft. Hoch über uns stoßen die aufragenden Felsen fast aneinander, der Rio Santa stürzt sich wild durch den engen Canyon hinab, ein Tunnel reiht sich an den anderen, ab und zu ein kleiner Ausblick in den Himmel und irgendwo  und irgendwie dazwischen die schmale Straße.

Zum ersten Mal auf dieser Reise wird mir bewusst, dass es bereits beginnt „ein letztes Mal“ zu geben. Die letzten Meter Piste, die letzten schneebedeckten Berge, der letzte Pass weit über 4.000 m… Und obwohl noch 6 Monate Zeit und ich mittendrin, fange ich ganz sacht an, mich auf meine Familie zu freuen, auf meine Freunde, auf Berlin, auf das „Kotti“, freu mich auf das erste Glas Rotwein bei meinem Lieblingsitaliener, den ersten Kinobesuch…

Und während ich noch so meinen Gedanken nachhänge, schenkt mir der Himmel wieder einmal eine dieser herzerwärmenden Begegnungen: Zwei Radler kommen uns entgegen. Ich schau auf die Taschen: Ortlieb. Da werden sie wohl aus Deutschland sein. Das erste Wort und ich muss herzlich lachen. „Sächsisches“ Englisch klingt einfach zu schön! Die beiden sind aus meiner Heimatstadt Dresden. Mein aufkeimendes Heimweh ist sofort weggeblasen. Wir witzeln und lachen, tauschen ein paar Informationen bis wir merken, dass wir uns vor Monaten sogar schon einmal geschrieben haben. Die Welt ist manchmal tatsächlich verrückt klein. Doch die Zwei sind in Eile. In 5 Tagen wollen sie ihre Freundinnen in Lima treffen, da haben sie noch einiges vor sich. Aber die Sehnsucht treibt sie voran, lässt sie jeden Tag bis in die Dunkelheit fahren. Sie werden es ganz sicher schaffen.

Im ersten Restaurant auf der Asphaltstraße bestellen wir das, was alle essen: Hm, Meerschweinchen. Da ist es wieder. Und während wir nach den ernährungstechnisch sehr übersichtlichen Tagen mit Tütensuppe und Cracker noch genüsslich an den kleinen Knöchelchen lecken, fällt nach europäischer Manier eine holländische Radlergruppe in das Restaurant ein, vereinnahmt es in Sekunden. Die Herren stellen sich in ihren grellbunten, befremdlich engen und über die mittsechziger Bäuche spannenden Trikots in Reihe neben den blitzblanken Toiletten auf und pinkeln erst einmal in die Blumenbeete. Die Locals reißen die Augen auf, ich möchte unter den Tisch kriechen und Leen freut sich, dass er wieder einmal ein paar Worte aus seiner Heimat hört.

Noch 600 km durch eine wie immer dreckige, staubige und windige Wüste und ich verlasse ein mir sehr vertraut gewordenes Land. 3.082 km habe ich mir hier erfahren und 2,5 Monate verbracht. Kein Land zuvor durfte ich so intensiv kennenlernen.
Dabei haben es mir die Frauen mit ihrer unermesslichen Herzenswärme mehr als leicht gemacht. Vor den Männern dagegen, wenn sie mit blank geputzten Schuhen, in schwere Parfümwolken gehüllt und mit zahnlosem Mund auf mich zusteuerten um mich zu küssen, bin ich des Öfteren erschrocken zurück gewichen.
Ein Land voller Schönheit, voll neugieriger Menschen, die nie, nie, nie anstrengend waren. Und wer sagt „Peru ist ok“, der war vielleicht in Cusco aber niemals in Peru!

Die Bilder Peru Teil 8 sind online.



zurück

Kommentare

Anne, 28-08-12 09:14:
... "eingeschWäbelt" meinte ich natürlich! ;o)
Anne, 28-08-12 09:13:
Ich hab ja soooo Lust, nach PERU zu reisen! Dir wünsche ich weiterhin eine gute Reise, genieße die bewußten "letzten Male" und sei dir ganz gewiss: die Heimat und Deutschland und Berlin und das alles freut sich auch ganz sehr auf dich! (und eine eingeschäbelte Anne auch!)
Steffi, 27-08-12 10:58:
Liebe Bettina!
Ein ganz großes Kompliment und lieben Dank für dietollen Berichte, die ich immer wieder mit Spannung erwarte, um an dieser wundervollen Reise ein Stück teilhaben zu können.
Ganz liebe Grüße aus dem mittlerweile herbstlichen Deutschland - Steffi

Kommentar hinzufügen

* Erforderliche Eingabe

*





*
*